Es ist Sommer, es ist Eiszeit. 2018 hat der WWF Deutschland damit begonnen, sich die Eisproduktion in Deutschland und die großen deutschen Eishersteller und -verkäufer genauer anzuschauen. Wir wollten wissen, inwieweit die Industrie beim Einsatz von Pflanzenölen und -fetten auf Nachhaltigkeitskriterien setzt und wie es um Kokosöl, eines der beliebten Ersatzöle für Palmöl, steht.

Wer das Wort Palmöl hört, denkt meist sofort an die vielen negativen sozialen und ökologischen Folgen, die der wachsende Anbau hat: An die Rodung von Regenwäldern, die Bedrohung von Orang-Utans, Elefanten und Tigern, an Landkonflikte und schlechte Arbeitsbedingungen. Tatsächlich steht das weltweit wichtigste Pflanzenöl als einer der Haupttreiber für Entwaldung – insbesondere in Indonesien und Malaysia – seit Jahren im Fokus der Öffentlichkeit und Kritik. Aber wie steht es um die anderen Pflanzenöle?

Kokosfett aus den Tropen – „heimischer“ Raps aus Übersee

Palmöl wird aus einer Flasche gegossen © Aaron Gekoski / WWF US
Palmöl wird aus einer Flasche gegossen © Aaron Gekoski / WWF US

Unternehmen setzen vermehrt alternative Pflanzenöle und Fette ein: Kokosöl und Soja, Raps- und Sonnenblumenöl, Kakaobutter und auch tierische Fette. Werden dabei Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt? Geht es den Unternehmen bei einer Substitution von Palmöl um Nachhaltigkeit oder darum, sich öffentlicher Kritik zu entziehen?   

Die Ergebnisse 2018 waren mehr als ernüchternd. Kein einziges der befragten Unternehmen hatte zertifiziertes Kokosöl eingesetzt. Viele antworteten, es gäbe kein Angebot dafür – was schon damals nicht stimmte. Wir haben also Aufklärung betrieben. Und zwei Jahre später nachgehakt:

Der Report zum Download

Was hat sich getan beim Thema Nachhaltigkeit und Kokosöl im Eissektor?

Palmölfrüchte Indonesien © Des Syafriza / WWF USA
Palmölfrüchte Indonesien © Des Syafriza / WWF USA

Wir haben die größten Eisproduzenten mit Produktion oder Hauptsitz in Deutschland sowie die Top fünf des Lebensmitteleinzelhandels mit ihren Handels- bzw. Eigenmarken für Speiseeis befragt. Insgesamt 17 Unternehmen. Welche ökologischen und sozialen Anforderungen stellen sie an Pflanzenöle und Fette? Einen Fokus haben wir dabei auf Kokosöl sowie damit verbundene ökologische und soziale Risiken geworfen, auch weil es mengenmäßig beim Einsatz vorne liegt. Kokosöl hat den mit Abstand größten Anteil an Pflanzenölen und -fetten. Der Anteil an Palmöl ist dagegen verschwindend gering.

Rund 2,5 Mrd. Euro Umsatz hat die Eisbranche im Jahr 2019 laut dem Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) gemacht. 557 Mio. Liter Eis wurden 2019 in Deutschland konsumiert, das sind 8,3 Liter pro Kopf und Jahr, das meiste davon industriell hergestelltes Markeneis.

Nachhaltigkeit = Fehlanzeige

Keiner der befragten Eishersteller und Verkäufer knüpft ökologische und soziale Anforderungen an das Kokosöl seines Eises, wissend, dass es um die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern schlecht bestellt ist und in Kauf nehmend, dass neue Flächen für Kokosöl gerodet werden könnten. Eine Studie zeigt, dass der Anbau von Kokospalmen 60 Arten bedroht, die auf der Roten Liste der IUCN stehen, mehr noch als Palmöl. Zertifizierte Ware ist seit Jahren vorhanden, sie wird aber nicht nachgefragt.

Bei Palmöl geben zumindest alle befragten Unternehmen an, zertifizierte Ware einzusetzen. Der Druck von NGOs und Verbraucher:innen ist hier groß. Wenn dieser Druck fehlt, werden Probleme wie Kinderarbeit und Rodungen, Einsatz von gefährlichen Pestiziden und fehlende Fruchtfolge bei den „heimischen“ Ölen (wenn Raps und Sonnenblumenöl denn überhaupt aus der EU kommen und nicht aus Australien, USA oder Lateinamerika) von den Unternehmen gar nicht oder nur ansatzweise beachtet.

Bei fast allen anderen eingesetzten Pflanzenölen sucht man vergeblich nach Nachhaltigkeitsanforderungen. Lediglich bei der Kakaobutter haben viele der befragten Unternehmen (ALDI Nord, ALDI Süd, EDEKA, Froneri, Kaufland, Lidl, Metro, REWE) eine UTZ-Zertifizierung.  Bei Milchfett/Sahne gibt nur Friesland Campina für ihr Landliebe-Eis an, dass die Tiere bei der Milcherzeugung gentechnikfrei gefüttert werden. Fünf befragte Unternehmen haben – trotz mehrfacher Erinnerung – gar nicht an der Befragung teilgenommen.

Laut Befragung haben einige Hersteller das im Fokus der öffentlichen Debatte stehende Palmöl durch Kokosnussöl ersetzt. Jedoch fehlt bei den meisten Befragten eine Substitutionsstrategie, die ökologische und soziale Kriterien berücksichtigt.

Ganzheitliches Umdenken ist gefragt

Kind mit Eiscreme © Getty Images
Kind mit Eiscreme © Getty Images

Es bleibt unerklärlich, warum insbesondere an Kokosöl, das teilweise in den gleichen Ländern wie das viel diskutierte Palmöl angebaut wird, keine Anforderungen gestellt werden.

Dabei sollte mittlerweile bekannt sein, dass der Ersatz von Palmöl durch Kokosöl die ökologischen Probleme nicht löst, sondern nur verlagert oder sogar verschlimmert. So erfolgte der weltweite Anbau von Kokospalmen 2018 auf insgesamt etwa 12,4 Mio. Hektar, mit denen 1,2 Prozent des weltweiten Pflanzenölbedarfs gedeckt wurden. Ölpalmen bedeckten 2018 zwar 23,5 Mio. Hektar, allerdings wurden damit 36 Prozent des Pflanzenölbedarfs gedeckt. Der Ertrag der Ölpalme liegt mit durchschnittlich etwa 3,8 Tonnen Öl pro Hektar weit über dem von Kokosöl mit 0,7 Tonnen Öl pro Hektar. Weitet sich der Trend, Palmöl durch Kokosöl zu ersetzen, aus, hätte das negative Effekte auf die Umwelt, da mehr Fläche benötigt würde. Überdies bedroht auch der Anbau von Kokospalmen die Artenvielfalt.

Zwar wird die Kokospalme derzeit in überwiegend kleinbäuerlichen Strukturen mit (wahrscheinlich) sehr geringem Einsatz von Pestiziden und synthetischem Dünger angebaut. Doch auch unter sozialen Gesichtspunkten ist der Kokosanbau mit vielen Problemen behaftet. So gelten geschätzte 60 Prozent der Kokos-Kleinbäuer:innen im Hauptproduktionsland Philippinen als arm und leben unter der Armutsgrenze. Es wäre fatal, wenn die Kokosöl-Produktion auf die gleichen Probleme zusteuert wie die Palmöl-Produktion. Noch wächst die Fläche für Kokospalmen nur moderat, aber der Trend kann sich schnell ändern.

Nachhaltigkeit ist kein kurzfristiger Trend, sondern muss zu einem ganzheitlichen Umdenken führen. Unternehmen dürfen nicht nur Anforderungen an die eine Zutat stellen, die gerade im Fokus der Öffentlichkeit steht, oder diese ersetzen.

Die Studie zeigt leider, dass Unternehmen freiwillig nicht nachhaltig umdenken. Der WWF fordert daher gemeinsam mit anderen ein Lieferkettengesetz für Deutschland und die EU, das Unternehmen zur Achtung von Umweltstandards und Menschenrechten in ihren Wertschöpfungsketten verpflichtet, und damit Wälder und andere artenreiche Ökosysteme schützt. 

Die Anbaubedingungen vor Ort müssen dringend verbessert werden. Und die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, sowohl im Kokosanbau als auch bei Palmöl, benötigen dringend Unterstützung. Beim Einsatz von jeglichen Pflanzenölen, egal ob aus Übersee oder aus heimischem Anbau, sollten strenge ökologische und soziale Kriterien erfüllt werden. Wie so oft zeigt die Biobranche den Weg. Sie hat auch im Kokosanbau vorbildliche Projekte mit Kleinbäuerinnen und Kleinbauern.

Kann ich mein Eis im Sommer noch guten Gewissens genießen?

Leider achtet keiner der befragten Eishersteller und -verkäufer auf soziale und ökologische Standards beim Einsatz von Kokosöl.

Aber: Es gibt mittlerweile viele leckere Eissorten mit Bio- und oder Fairtrade-Zertifizierung. Zahlreiche Eisdielen machen ihr Eis auch selbst und achten auf Bio-Zutaten. Die gute Eisdiele nebenan kann Unterstützung gut gebrauchen. Denn der Anteil, den traditionelle Eisdielen am Eiskonsum haben, sinkt, so dass sich der Eismarkt auf immer weniger, immer größere Hersteller und Verkäufer konzentriert.

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