In Deutschland gehen pro Jahr über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel verloren. Eine Verschwendung mit enormen ökologischen Folgekosten. Die Verringerung verschwendeter Nahrungsmittel ist eine der drängenden Herausforderungen der Zeit, denen wir uns gesamtgesellschaftlich stellen müssen.

Die Sustainable Development Goals (SDG, Ziele für eine nachhaltige Entwicklung) der Vereinten Nationen fordern, „bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten zu verringern“. Deutschland als Mitunterzeichner steht nun in der Pflicht, dieses Ziel zügig umzusetzen.

Die Bundesländer im Vergleich

Für die Studie wurden die Aktivitäten der Bundesländer zu dem Thema beleuchtet und entlang der folgenden Handlungsfelder vergleichend dargestellt:

  • Kreislaufwirtschaftsgesetz und Abfallwirtschaftsplan
  • Mengenerhebung und Mengenanalyse
  • Vernetzung der Akteure
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Ernährungsbildung
  • Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft
  • Außer-Haus-Gastronomie

Fünf Pioniere und sechs Nachzügler

Von den 16 Bundesländern gibt es fünf Pioniere, die einerseits zu einem sehr frühen Zeitpunkt und andererseits in umfassender Weise das Thema angegangen sind. Dazu gehören Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Bayern begann beispielsweise bereits 2012 mit der Erhebung der landesweit anfallenden Lebensmittelverluste. Das 2015 gegründete Bündnis „Wir retten Lebensmittel!“ beschloss 17 Maßnahmen, die systematisch umgesetzt werden. Nordrhein-Westfalen gründete 2010 als erstes Bundesland den Runden Tisch „Neue Wertschätzung für Lebensmittel“. Es hat eine beachtliche Anzahl von Maßnahmen realisiert und die Mittel dafür bereitgestellt. Sachsen wiederum hat das Thema systematisch aus der abfallrechtlichen Perspektive aufgearbeitet und Aktivitäten angestoßen.

Lebensmittelverschwendung © iStock / Getty Images
Lebensmittelverschwendung © iStock / Getty Images

Neben den Pionieren gibt es eine Reihe von Bundesländern, die zum Mittelfeld gehören. Hierzu gehören Berlin, Brandenburg, Hessen, Saarland und Schleswig-Holstein. Ferner gibt es ein paar Nachzügler, die sich erst seit Kurzem auf den Weg gemacht haben oder bislang kaum Aktivitäten durchgeführt haben. Dazu gehören Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen wurde in sehr unterschiedlicher Weise in Koalitionsverträgen und Strategiepapieren aufgenommen, unter anderem in Nachhaltigkeitsstrategien, Abfallwirtschaftsplänen, Energie- und Klimaschutzprogrammen, verbraucherpolitischen Strategien, Forschungsstrategien oder Landesentwicklungsstrategien. Daran lässt sich erkennen, dass ein ressortübergreifender Ansatz notwendig ist, um die unterschiedlichen Perspektiven und Erwartungen gleichermaßen zu berücksichtigen.

Verbraucher:innen, Industrie, Handel und Landwirtschaft müssen gemeinsam aktiv werden

Obwohl einige Länder Vorreiter sind und mit der Erhebung und Erfassung der Daten zu Lebensmittelverlusten angefangen haben, zögert die Mehrheit und wartet auf ein national abgestimmtes Vorgehen. Zudem ist es ein Problem, dass sowohl die Bundesländer als auch der Bund vor allem die Verbraucher in die Pflicht nehmen und mit Aufklärungskampagnen adressieren. Industrie, Handel und Landwirtschaft sollten viel stärker in den Fokus gerückt werden, da über 60 Prozent der Verluste entlang der Wertschöpfungskette entstehen – vom Produzenten bis hin zum Großverbraucher. Festzustellen ist ferner eine mangelhafte Überprüfung und Kontrolle der Wirksamkeit der Maßnahmen der Bundesländer. Es ist häufig nicht nachvollziehbar, wie effektiv die Maßnahmen überhaupt sind und ob die Menschen und Unternehmen überhaupt damit erreicht werden.

Es ist eine große Herausforderungen, zu erfassen, wer in welchem Bundesland zuständig ist, wie sich die ressortübergreifende Arbeit darstellt sowie tiefergehende Informationen zu den Aktivitäten der Bundesländer zu erlangen. Es fehlt an Transparenz der Angaben. Die Ergebnisse der Studie zeigen darüber hinaus deutlich: Ein bundesweit abgestimmtes Vorgehen ist notwendig, um den Bundesländern einen Handlungsrahmen aufzuzeigen, die Entwicklung zu steuern und um zukünftig die Schritte einer Reduktion der Lebensmittelverluste nachvollziehen zu können. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass es Handlungsfelder gibt, die derzeit noch nicht im ausreichenden Maße in den Blick genommen worden sind, künftig aber von signifikanter Bedeutung sein könnten. Unter diesem Gesichtspunkt ist es zwar ein positives Signal, dass die Problematik der Lebensmittelverschwendung in den neuen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD Eingang gefunden hat, in den kommenden Monaten wird sich aber zeigen, ob und wie die Bundesregierung sich konkret auf den Weg macht.

Forderungen des WWF an die Bundespolitik:

  • Die Bundesregierung initiiert 2018 einen nationalen Strategieentwicklungsprozess mit dem Ziel, bis 2020 eine nationale Strategie mit verbindlichen Zielen und Maßnahmen für die Branchen entlang der Wertschöpfungskette zu entwickeln - inklusive eines abgestimmten Vorgehens zur Erfassung, Monitoring und Berichterstattung. In den Strategieentwicklungsprozess sollten relevante Akteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eingebunden und die verschiedenen Perspektiven auf das Thema berücksichtigt werden.
  • Die Bundesregierung initiiert 2019 einen gesamtgesellschaftlichen Dialog. Die Vermeidung von Lebensmittelverlusten sollte als Teil des gesamten Ernährungssystems unter den derzeitigen Rahmenbedingungen beleuchtet werden mit dem Ziel, Wege zu einem zukünftig nachhaltigen und gesunden Ernährungssystem in Deutschland zu beleuchten. Dazu gehört beispielsweise auch die Perspektive der Krankenkassen, Versicherungen sowie der Bildung.
  • Die Bundesregierung etabliert eine personell und finanziell gut ausgestattete unabhängige Koordinierungsstelle, die die Strategieprozesse leitet, die Aktivitäten auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene sowie der Ebene der Bundesländer koordiniert sowie für die regelmäßige Berichterstattung zur Zielerreichung verantwortlich ist.

Die umfassende Studie „Lebensmittelverschwendung - Was tut die Politik? Ein Blick auf die Bundesländer“ wurde durch das Institut für nachhaltige Ernährung der Fachhochschule Münster erstellt.

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