Die großen, runden Augen, die feuchte „Stupsnase“ und das hundeähnliche Gesicht dürften dem Seehund seinen Namen eingebracht haben. Seehunde erscheinen als gesellige Tiere, denn sie sammeln sich an Land oft in großen Gruppen. Im Wattenmeer ruhen sie meist auf Sandbänken. Ihr Leben spielt sich aber in der Hauptsache im Wasser ab. Hier jagen sie nach Fischen, spielen und schlafen mitunter auch dort. Wenn junge, bis zu fünf Wochen alte Seehunde den Kontakt zur Mutter verloren haben, dann heulen sie laut, um den Kontakt zur Mutter wiederherzustellen. Der Seehund ist die häufigste Meeressäugerart in Deutschland und wird auf der Roten Liste Deutschlands als „gefährdet“ eingestuft. Die weltweite Meeresverschmutzung stellt heute den Hauptbedrohungsfaktor der Seehundbestände dar.

Der Seehund im Steckbrief

Verwandtschaft Familie der Hundsrobben (Phocidae)
Größe Weibchen bis ca. 150 cm, Männchen bis ca. 180 cm
Gewicht Weibchen bis ca. 85 kg, Männchen bis ca. 120 kg
Besonderheiten Mutterlose Jungtiere im Alter bis zu 6 Wochen werden als Heuler bezeichnet. Das Heulen ist ein Stimmfühlungslaut, mit dem das Junge den Kontakt zur Mutter herstellen will.
Soziale Organisation versammeln sich in Gruppen an Liegeplätzen, Lebensweise eher einzelgängerisch
Fortpflanzung Wurfzeit im Wattenmeer ab Mitte Mai bis etwa Mitte Juli, meist nur ein Junges
Lebenserwartung max. 36 Jahre
Geografische Verbreitung Küsten des Nordpazifiks und Nordatlantiks, gemäßigte bis polare Küsten, besonders häufig in den gemäßigten Breiten.
Lebensraum Benötigt ruhige Liegeplätze an Strand, Felsen oder auf Wattenmeer-Sandbänken.
Ernährung Nahrungsopportunist – ernährt sich von verschiedenen Fischarten. Jungtiere fressen auch Garnelen.
Bestandsgröße Weltweit zwischen 315.000 und 600.000. Im trilateralen Wattenmeer: 23.654 (gezählt 2022, tatsächliche Zahl rund 40.000)
Gefährdungsstatus Art nicht gefährdet (IUCN). In der Roten Liste Deutschland wird der Seehund als gefährdet geführt.

Wo werden Seehunde in der zoologischen Systematik eingeordnet?

Von Ordnungen, Familien und Arten

Raupenartige Fortbewegung eines Seehunds an Land. © Katrin Wollny-Goerke
Raupenartige Fortbewegung eines Seehunds an Land. © Katrin Wollny-Goerke

Seehunde gehören zu den Robben, einer Unterordnung der Raubtiere (Carnivora). Robben werden auch als Pinnipedia bezeichnet. Dieses Wort hat einen lateinischen Ursprung und bedeutet Flossenfüßer, abgeleitet von „pinna“ (Feder, Flosse) und „pedis“ (Fuß). Alle Robben sind Säugetiere und werden zusammen mit den Walen und Delfinen als Meeressäugetiere bezeichnet.

Innerhalb der Robben gibt es drei Familien: die Hundsrobben (Phocidae), die Ohrenrobben (Otariidae) und die Walrosse (Odobenidae). Seehunde gehören zu den Hundsrobben. Diese Familie umfasst 14 Gattungen mit ca. 19 Arten, z. B. die in Deutschland heimischen Seehunde und Kegelrobben, die sehr seltene Mittelmeer-Mönchsrobbe, aber auch antarktische Hundsrobben wie Seeleopard oder Weddellrobbe und arktische Robben wie Sattelrobbe und Bartrobbe. Die kleinste Robbe – Ringelrobbe – und die größte – Nördlicher oder Südlicher See-Elefant – gehören zu den Hundsrobben. Es haben sich auch regionale Unterarten entwickelt.

Alle Hundsrobben weisen nach hinten gerichtete Hinterflossen auf, die kaum unter den Körper gedreht werden können. Beim Schwimmen werden die Hinterflossen seitlich hin- und herbewegt und dienen dem Antrieb, zusammen mit seitlichen Bewegungen des Hinterleibs. Die vergleichsweise kurzen Vorderflossen werden im Wasser zur Steuerung eingesetzt, an Land stützen sich die Tiere damit ab, wenn sie vorwärts „robben“. Im Gegensatz zu den Ohrenrobben (zu denen z.B. Seelöwen gehören) haben Hundsrobben keine äußerlich erkennbaren Ohrmuscheln.

Wie sehen Seehunde aus?

Merkmale, Eigenschaften und Besonderheiten

Porträt junger Seehund – gut zu erkennen die v-förmigen Nasenlöcher © Katrin Wollny-Goerke
Porträt junger Seehund – gut zu erkennen die v-förmigen Nasenlöcher © Katrin Wollny-Goerke

Seehunde gelten in Deutschland als eine der bekanntesten Robbenarten. Sie sind an der Nordseeküste häufig zu beobachten und charakteristische Bewohner des Wattenmeers. Ihrem rundlichen Kopf mit der hundeähnlichen Schnauze haben sie ihren Namen zu verdanken. Mit den dunklen „Knopfaugen“ vermitteln sie nahezu ein perfektes Kindchenschema. Aber man sollte sich nicht täuschen lassen – es sind Raubtiere mit einem entsprechend starken Gebiss. Die scharfen Zähne dienen sowohl dem Festhalten als auch Zerreißen der Beute.

Weibliche Seehunde erreichen eine Länge von bis zu 150 Zentimetern und ein Gewicht von bis zu 85 Kilogramm. Die größeren Männchen können bis zu 180 Zentimeter lang und rund 120 Kilogramm schwer werden. Das kurze Fell, welches nur aus Deckhaaren besteht, ist unregelmäßig gefleckt. Die Bauchseite ist meist etwas heller, beigefarben, die Rückenpartie dunkler. In der Zeit des Haarwechsels im Sommer wirkt der Seehund struppig, bräunlich gefärbt. Das neue Haarkleid wächst silbrig-grau nach. Die Fleckung ist individuell und kehrt mit jedem Fellwechsel wieder.

Die Fellfärbung und die hundeähnliche Schnauzenform sind gute Unterscheidungsmerkmale zu Kegelrobben mit dem kegelförmigen Kopf. Im Zweifel hilft auch ein Blick auf die Nase des Tieres – bei Seehunden ist die Nase fast herzförmig mit v-förmig angeordneten Nasenlöchern. Letztere liegen bei Kegelrobben nahezu parallel.

Wie leben Seehunde?

Die soziale Organisation, Aktivität und Kommunikation

Der Seehund ist geschützt und kommt wieder in großer Zahl im Wattenmeer vor © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Seehundrudel mit Alt- und Jungtieren im Sylter Wattenmeer © Hans-Ulrich Rösner

Vieles im Leben der Seehunde ist noch weitgehend unbekannt, auch wenn sie uns so vertraut vorkommen. Man würde annehmen, dass sie Rudeltiere sind, denn an ihren Ruheplätzen sammeln sie sich oftmals zu mehreren Tieren. Im Wattenmeer befinden sich die Liegeplätze zumeist auf den vorgelagerten, trockenfallenden Sandbänken. Bei einsetzendem Niedrigwasser finden sich die Seehunde dort in Gruppen ein, mitunter mit bis zu mehreren Dutzenden oder sogar hunderten von Individuen. Sie benötigen jedoch immer einen gewissen Abstand zueinander. Körperkontakt zwischen erwachsenen Tieren wird vermieden. Seitliches Liegen und die „Bananenstellung“ mit hochgestreckten Hinterflossen ist ein Zeichen für Entspannung.

Forschungsergebnisse mit Hilfe von Sendern haben gezeigt, dass ein Seehund mehrere Liegeplätze nutzt, die meist nah beieinander liegen. Seehunde scheinen vergleichsweise standorttreu zu sein, da sie immer wieder an ihre Ruheplätze zurückkehren. Während der Flut halten sich die Tiere auch im Bereich der Sandbank (oder des Strandes) auf, suchen ab und an nach Futter oder schlafen im Wasser. Jedoch verbringen sie auch ausgedehnte Beutezüge auf See. Seehunde des Wattenmeeres entfernen sich sogar bis zu 60 Kilometer von ihren Ruhebänken während solcher Beutezüge. Dabei verbringen sie durchschnittlich bis zu einem halben Tag auf See, mitunter aber auch mehrere Tage. Bei der Nahrungssuche sind Seehunde allein unterwegs.

Was ist über die Fortpflanzung von Seehunden bekannt?

Von der Paarung über die Entwicklung der Jungen bis zum Erwachsenenalter

Mutter mit Jungtier im Wasser. Schnauzenkontakt der beiden ist ein wichtiges Sozialverhalten. © Katrin Wollny-Goerke
Mutter mit Jungtier im Wasser. Schnauzenkontakt der beiden ist ein wichtiges Sozialverhalten. © Katrin Wollny-Goerke

Obgleich Seehunde sich in Gruppen an den Liegeplätzen versammeln, bilden sie keinen „Harem“ zur Paarungszeit (etwa Juli/August). Die Paarung findet im Wasser statt. Die Männchen machen durch bullernde Geräusche auf sich aufmerksam, in dem sie unter Wasser Luft ausblasen. Kämpfe unter den Männchen sind eher selten. Ein Seehund-Männchen kann sich mit mehreren Weibchen paaren.

Nach einer zweimonatigen Keimruhe entwickelt sich der Embryo im Mutterleib. Nach dann rund neun Monaten Tragzeit wird das meist einzige Junge geboren, mit einem Geburtsgewicht von ca. sieben bis 10 Kilogramm  Im Wattenmeer reicht die Geburtszeit von etwa Mitte Mai bis Mitte Juli. Das Muttertier sucht etwas abseits vom Rudel eine ruhige Sandbank aus, wo sie mit einsetzendem Niedrigwasser das Junge in einer Sturzgeburt zur Welt bringt.

Das Jungtier verliert das Embryonalfell meist noch im Mutterleib oder bei der Geburt, nur selten werden Seehundjunge im weißen Lanugofell geboren. Im kurzen Fell, das dem der Alttiere ähnelt, können sie bereits wenige Stunden nach der Geburt ihrer Mutter ins Wasser folgen und schwimmen.

Die Säugezeit dauert nur rund vier bis maximal sechs Wochen. Die Kleinen werden an Land/auf den Sandbänken gesäugt, nun auch wieder in der Nähe des Seehundrudels. Die nahrhafte Muttermilch (Fettgehalt ca. 45 Prozent) lässt die Jungtiere sehr schnell zunehmen, so dass sie am Ende der Aufzuchtzeit rund 25 Kilogramm wiegen.

Die Geburts- und Aufzuchtzeit ist eine sehr kritische Zeit für Seehunde, in der sie viel Ruhe benötigen. Häufige Störungen der Seehunde an ihren Ruheplätzen, aber auch Schlechtwetterperioden mit starken Stürmen können gravierende Folgen haben: Jung- und Muttertier können getrennt werden oder Säugezeiten fallen aus und das Kleine nimmt nicht ausreichend zu.

Nach dem Abstillen muss der junge Seehund lernen, sich selbständig zu ernähren – eine schwierige Zeit. Zunächst versucht das Jungtier, Nordseegarnelen oder kleine Fische im Flachwasser zu fangen. In dieser Zeit kann es wieder an Gewicht verlieren, bis es den Fischfang erlernt hat. Das Muttertier ist nun wieder paarungsbereit. Nach der Paarungszeit beginnt der Haarwechsel. In dieser Zeit – im Wattenmeer von Mitte Juli bis Ende August – ruhen die Seehunde intensiv auf den Sandbänken.

Was ist ein Heuler und wie geht man mit ihnen an der Wattenmeerküste um?

Nicht jede allein liegende Robbe ist ein Heuler, der Hilfe benötigt. Oftmals ruhen sich junge Seehunde auch nur aus, beispielsweise Jungtiere, die den Fischfang erst erlernen müssen. Die Beurteilung der Situation muss den Fachleuten überlassen werden. In Deutschland gibt es zwei für die Seehundaufzucht autorisierte SeehundstationenNorden-Norddeich in Niedersachsen und Friedrichskoog in Schleswig-Holstein.

Die wichtigsten Regeln:

  • Unbedingt großen Abstand halten und nicht den Weg zum Wasser versperren.
  • Die Tiere auf gar keinen Fall anfassen – auch zur eigenen Sicherheit, denn sie können heftig beißen und Krankheiten übertragen.
  • Hunde anleinen und fernhalten, um der Robbe Stress zu ersparen und die gegenseitige Übertragung von Krankheiten zwischen Hund und Robbe zu vermeiden.
  • Benachrichtigung an Polizei, Seehundstation oder zuständigen Wattenjagdaufseher/Seehundjäger (zuständig für den Schutz der Seehunde, da der Seehund dem Jagdrecht unterliegt).

Das Wattenmeer ist als Nationalpark streng geschützt, und in einem Nationalpark sollen Naturvorgänge möglichst ungestört ablaufen können. Die Aufzucht von Heulern ist aus Artenschutzsicht wegen der guten Bestandssituation nicht erforderlich, sondern ist eine Maßnahme des Tierschutzes. Es soll möglichst versucht werden, dass Mutter- und Jungtier wieder zu einander finden, daher werden in Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden auch Beobachtungszonen eingerichtet, in denen die Tiere auch an beliebten Stränden die notwendige Ruhe finden können.

Im trilateralen Seehundmanagementplan ist geregelt, wie grundsätzlich mit Heulern oder verletzt aufgefundenen Robben verfahren werden soll. Im Detail regelt dies beispielsweise in Schleswig-Holstein auch eine spezielle Richtlinie zum Umgang mit verletzt oder verlassen aufgefunden Robben. Das Gemeinsame Wattenmeersekretariat (CWSS) ist bestrebt, abgestimmte und einheitliche Regelungen mit allen Wattenmeeranrainerstaaten zu treffen.

Wo leben Seehunde?

Ihr Verbreitungsgebiet und Lebensraum

Ausgewachsenes Seehund-Männchen an der Wasserkante © Hans-Ulrich Rösner
Ausgewachsenes Seehund-Männchen an der Wasserkante © Hans-Ulrich Rösner

Seehunde (Phoca vitulina) leben in mehreren Unterarten ausschließlich auf der Nordhalbkugel an den gemäßigten bis polaren Küsten. Die in Mittel- und Nordeuropa heimische Unterart des Ostatlantischen Seehundes (Phoca vitulina vitulina) kommt von der Bretagne über die Nordsee bis in die Barentssee in Nordwest-Russland und nördlich bis Spitzbergen vor. Die südliche Verbreitungsgrenze reicht bis Nord-Portugal. In der Ostsee leben vergleichsweise wenig Seehunde, vor allem im westlichen Teil.

Wie alle Robbenarten halten sich Seehunde einen Großteil ihres Lebens im Meer auf – wandernd, jagend, schlafend. Ihre Tauchgänge können sie bis in eine Tiefe von etwa 400 Metern und maximal 35 Minuten durchführen. Sie sind über Steinriffen ebenso zu finden wie in den Kelpwäldern, in Flussmündungen oder in den Prielen des Wattenmeers.

Für drei wichtige Lebensphasen suchen Seehunde das Land auf: Geburt, Jungenaufzucht und Haarwechsel. Hierfür benötigen sie ruhige Liegeplätze an Stränden oder auf den Wattenmeer-Sandbänken. An Felsküsten sind Seehunde ebenso zu finden, an den polaren Küsten auch auf Eis(schollen). Die Nordseeküste ist ein typischer Lebensraum für diese Robbenart.

Wie ernähren sich Seehunde?

Alles über ihre Nahrung und Ernährungsweise

Seehunde gelten als Nahrungsopportunisten, d.h. sie ernähren sich von den Arten, die in ihrem Lebensraum häufig und leicht zu fangen sind. Überwiegend fressen sie Fische, aber auch kleinere Krebstiere wie Nordseegarnelen. Typische Beutefische der Seehunde sind Heringe und Sprotten, verschiedene Arten der Plattfische, junge Dorsche, Sandaale. Im Wattenmeer stellen Grundeln eine Hauptbeute dar.

Während ihrer Jagdtouren tauchen Seehunde immer wieder steil nach unten ab. Die Tauchgänge führen meist bis zum Meeresgrund, wo sich die Tiere konstant über eine längere Zeit hinweg am Boden fortbewegen. Dadurch erhöht sich die Chance, auf Beute zu stoßen. Mit Hilfe ihrer Barthaare können Seehunde die Strömung von in Entfernung vorbeischwimmenden Fischen spüren und ertasten die am Boden versteckten Arten wie Plattfische. Dabei schwimmen Seehunde häufig auf dem Rücken.

Sind Seehunde bedroht und wie groß ist ihr Bestand?

Bedrohungen, Gefährdungsstatus und Bestand

Survey Results of Harbour Seals in the Wadden Sea in 2022, CWSS, waddensea-worldheritage.org
Survey Results of Harbour Seals in the Wadden Sea in 2022, CWSS, waddensea-worldheritage.org

Der weltweite Bestand der Seehunde ist nicht gefährdet (IUCN „least concern“) und wird auf eine Größe zwischen 315.000 (IUCN) und bis zu 640.000 (NAMMCO/Bjørge et.al., 2010) geschätzt. Auf der Roten Liste Deutschlands wird der Seehund jedoch als gefährdet geführt. Die weltweite Meeresverschmutzung stellt heute – neben dem Lebensraumverlust – eine der Hauptbedrohungen der Seehundbestände dar: die Tiere können sich in Plastikmüll und Netzresten verfangen, Mikroplastik reichert sich über die Nahrungskette in ihnen an. Umweltgifte wie Quecksilber schädigen Organe, können die Tiere schwächen und machen sie für Infektionen anfällig.

Im Wattenmeer, wo die Seehunde seit vielen Jahrzehnten besonders gut erforscht werden, sind häufige Todesursachen z.B. Erkrankungen der Atemwege, Magen-Darm-Infektionen oder Infektionen von Organen, hervorgerufen durch Bakterien oder Viren. Aber auch Frühgeburten und ein starker Befall mit Parasiten, zum Beispiel Herzwürmer, gehören zu den häufigen Todesursachen. In manchen Jahren sind ansteckende Viruserkrankungen wie Seehundstaupe oder Influenza zu verzeichnen.

Da sich in der Säugezeit und während des Haarwechsels besonders viele Seehunde auf den Sandbänken und am Strand tummeln, ist dies die beste Zeit für die Zählungen der Seehunde. Sie werden zeitgleich in allen Wattenmeeranrainerstaaten durchgeführt. Das CWSS veröffentlicht regelmäßig die Zählergebnisse und die dazugehörigen Reports, in denen auch Bestandsgrafiken zu finden sind. So wurden im trilateralen Wattenmeer im Jahr 2022 im Sommer 23.654 Seehunde direkt gezählt. Tatsächlich lag die Zahl in den letzten Jahren wohl bei rund 40.000, denn bei den Zählungen befindet sich nur ein Teil der Tiere (bislang ging man von ca. zwei Dritteln aus) auf den Sandbänken, während sich der Rest des Bestandes im Wasser zum Beispiel auf Nahrungssuche im näheren Umfeld oder in der Nordsee aufhält.

Diese Ergebnisse zeigen, dass sich der Bestand seit Gründung der Nationalparks im Wattenmeer deutlich erholt hat. Heutzutage pendelt er etwa um das Niveau, das niederländische Wissenschaftler:innen für Anfang des 20. Jahrhunderts berechnet haben, also bevor die Auswirkungen der Jagd, chemischer Schadstoffe und Lebensraumverlust zu einem drastischen Rückgang führten. Zweimal wurde der Seehundbestand im Wattenmeer durch den Ausbruch der Seehundstaupe drastisch reduziert: in 1988/89 fielen rund 18.000 Seehunde in der gesamten Nordsee dem Seehundstaupevirus zum Opfer, das entspricht etwa 55 bis 65 Prozent des Gesamtbestands.

Seehundbank © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Seehundbank © Hans-Ulrich Rösner / WWF

Auch im Wattenmeer starben rund 60 Prozent der Seehunde. Der Bestand erholte sich schnell und hatte bereits nach wenigen Jahren wieder das Niveau von 1987 erreicht. 2002 fand eine zweite Epidemie der Seehundstaupe unter den Nordsee-Seehunden statt. Obgleich nochmals rund 50 Prozent der Tiere ihr Leben verloren, hatte diese Epidemie nicht so gravierende Auswirkungen wie die von 1988. Auch nach dieser Epidemie erholte sich der Bestand rasch. Mehrfach führte seit 2014 das Auftreten eines Geflügelgrippe-Virus zum Tod vieler hundert Seehunde.

Immer wieder wird in der Öffentlichkeit diskutiert, ob diese Viruserkrankungen die Folge eines zu hohen Bestands sind. Dies ist aus wissenschaftlicher Sicht zu verneinen. So war beispielsweise der Bestand 1988 nur halb so hoch wie 2002. Und beim zweiten Mal starben noch weniger Seehunde, der Bestand erholte sich ebenso rasch. In beiden Fällen ist es wahrscheinlich, dass Robben aus anderen Meeresregionen das Virus übertragen haben. Beim Geflügelgrippe-Virus zeigt sich, dass weder Tiere noch Menschen vor Viruserkrankungen und Übertragungen von anderen Tiergruppen geschützt sind. Ein gesundes und kräftiges Immunsystem ist für Seehunde elementar, um Erkrankungen durch Viren, Bakterien und Parasiten abwehren zu können. Umwelteinflüsse durch Schadstoffe, Störungen und Lärm können zu einer Schwächung des Immunsystems führen. Der Schutz der Seehunde ist daher trotz eines hohen Bestands von großer Bedeutung.

Was wird für den Schutz der Seehunde getan?

Abkommen, Forschung

Unter dem Eindruck des ersten Seehundsterbens wurde 1991 unter dem Dach der Konvention zum Schutz wandernder wildlebender Tierarten (Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals, CMS) das „trilaterale Seehundabkommen“ zwischen den Niederlanden, Deutschland und Dänemark vereinbart. Hier wurde beschlossen, einen Seehundmanagementplan zum langfristigen Schutz des Seehundbestands im Wattenmeer zu entwickeln, der regelmäßig fortgeschrieben wird. Darin ist unter anderem der Umgang mit Heulern geregelt. Diese internationalen Regelungen werden in den einzelnen Wattenmeerländern durch nationale Richtlinien und Handlungsanweisungen ergänzt und präzisiert.

Das Weltnaturerbe Wattenmeer mit seinen Nationalparks schützt Seehunde vor Störungen und sichert wichtige Ruheplätze der Tiere. Richtiges umweltbewusstes Verhalten von Urlauber:innen und Einheimischen, beispielsweise im Umgang mit verletzt oder verlassen aufgefundenen Seehunden, ist ein wichtiger Beitrag zum Seehundschutz.

Zunehmende Gefahren drohen durch die vielfältige Nutzung von Nord- und Ostsee, beispielsweise durch Baumaßnahmen im Meer und damit verbundenen Lärm. Auch Schiffsverkehr kann Seehunde beeinträchtigen, beispielsweise in ihrem Jagdverhalten. Wissenschaftler:innen des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover erforschen im internationalen Projekt SATURN, wie sich Schiffslärm in der Elbe und der Deutschen Bucht auf Seehunde auswirkt. Der WWF setzt sich seit 1977 intensiv für einen umfassenden Schutz des Wattenmeeres und damit auch für den wirksamen Schutz der Seehunde ein.

Weitere Informationen zu Seehunden

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