Kein Licht in der Tonne

Neue Zahlen des BMEL offenbaren: Datenlage über Lebensmittelverschwendung in Deutschland weiter dünn

© Roland Gramling
Der WWF fordert mehr Transparenz über die tatsächlichen Abfallströme im Lebensmittelbereich.

Auf dem Weg zur Umsetzung ihrer „Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft das Johann Heinrich von Thünen-Institut (TI) zusammen mit der Universität Stuttgart beauftragt, das Aufkommen der Lebensmittelabfälle über die gesamte Lebensmittelversorgungskette für Deutschland zu berechnen. Die vorgelegte Gesamtbilanzierung dient als Ausgangspunkt ("Baseline 2015") für eine kontinuierliche Berichterstattung gegenüber der EU bis 2030. Die Angaben des Thünen-Instituts gehen für 2015 von 11,86 Millionen Tonnen Lebensmittelabfällen aus. Für den WWF basieren die präsentierten Zahlen auf zu lückenhaften Daten und zu groben Abschätzungen. „Solange nicht vom Händler über den Lebensmittelhersteller bis zum landwirtschaftlichen Betrieb mehr Daten geliefert werden, bekommen wir kein Licht in die Tonne. Wer nicht weiß, wo, wieviel und warum Lebensmittel verschwendet werden, kann auch nicht gezielt gegensteuern“, kritisiert Tanja Dräger de Teran vom WWF. Der WWF sieht die Wirtschaft in der Pflicht, bestehende Datenlücken zügig zu schließen.

 

Die Angaben zum Handel beziehen sich beispielsweise auf Daten der branchenfinanzierten EHI Retail Institutes GmbH aus dem Jahr 2011, die wiederum auf Eigenangaben der Unternehmen beruhen. Neu hinzugekommen sind allein abfallbilanzielle Daten von 77 Filialen eines Lebensmitteleinzelhändler mit Vollsortiment. „Eine valide Datengrundlage sieht anders aus“, kritisiert Tanja Dräger de Teran.

 

Fragwürdig ist aus Sicht des WWF auch die Verteilung des geschätzten Jahresvolumens an Lebensmittelabfällen auf einzelne Sektoren. Lebensmittelverluste, die der Handel in der Vorkette verursacht, werden den Herstellern oder den Landwirten zugerechnet. Notwendig sei aber die differenzierte Analyse entlang der Lieferkette, wie beispielsweise in den Niederlanden oder in Großbritannien praktiziert. „Der Handel steht hier in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen, beispielsweise die hohen Qualitätsanforderungen an Obst und Gemüse zu überarbeiten oder seine Vermarktungsstrategie zu verändern. Wir müssen weg von großen Verpackungsgrößen, die nachgelagert beim Verbraucher dafür sorgen, dass die Hälfte im Müll landet“, fordert Tanja Dräger de Teran vom WWF.

 

Der WWF fordert mehr Transparenz über die tatsächlichen Abfallströme im Lebensmittelbereich. „Wir mahnen seit Jahren bessere Daten an, passiert ist zu wenig“, kritisiert Tanja Dräger de Teran. Beispielhaft seien hier die britischen Unternehmen. Diese werden ab 2019 ihre individuellen Daten zu Lebensmittelabfällen veröffentlichen.

 

Über die Abfallrahmenrichtlinie sind die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, spezifische Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen festzulegen sowie die Fortschritte bei der Verringerung von Lebensmittelabfällen zu messen. Bis 2025 sollen die Lebensmittelabfälle um 30 Prozent, bis 2030 um 50 Prozent reduziert werden. Bereits ab 2020 soll jährlich über das Ausmaß und die erzielten Fortschritte berichtet werden. Die Kommission behält sich vor, 2023 nach Überprüfung der übermittelten Daten unionsweit geltende Zielvorgaben und entsprechende Gesetzgebungsvorschläge auf den Weg zu bringen.

 

Hintergrund:

Die Studie des Thünen-Instituts benennt einen Mittelwert von 11,86 Millionen Tonnen Abfällen pro Jahr. Auf Haushalte entfallen demnach rund 6 Millionen Tonnen, gefolgt von den Bereichen Lebensmittelverarbeitung (2,2 Millionen Tonnen), Landwirtschaft (1,4 Millionen Tonnen), Außer-Haus-Verzehr (1,7 Millionen Tonnen) und Handel (0,5 Millionen Tonnen).

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