Zwei Wochen in den Überschwemmungssavannen Boliviens ohne Strom, Internet, Telefon oder Nachrichten. An einem Ort, an dem noch kein Wissenschaftler zuvor war. Dazu zahlreiche Moskitos, Piranhas, Anakondas, Kaimane, Giftschlangen und achtstündige Märsche durch kniehohes Wasser. Warum macht man so etwas? Um sieben Millionen Hektar Süßwassergebiet zu erforschen und zu schützen.

Im April 2017 ist Dr. Dirk Embert vom WWF Deutschland zusammen mit zwei weiteren WWF Deutschland-Kolleginnen sowie zwölf bolivianischen Wissenschaftlern zu einer Expedition nach Bolivien aufgebrochen, um die Artenvielfalt der östlichen Überschwemmungssavannen in Bolivien zu erforschen. Dirk Embert ist Herpetologe, d.h. er erforscht Kriechtiere wie Schlangen, Echsen, Krokodile, Lurche und Frösche.

Frösche suchen in Bolivien

Dr. Dirk Embert mit einem kleinen Kaiman © Gesa Labahn / WWF
Dr. Dirk Embert mit einem kleinen Kaiman © Gesa Labahn / WWF

Und dieser Job ist wahrlich nichts für schwache Nerven, denn Naturschutz vor Ort bedeutet auch, fernab der Zivilisation zahlreichen Gefahren, zum Beispiel durch giftige Tiere, ausgesetzt zu sein. Im Falle eines Falles sind kein Arzt oder Flugzeug da, die die Teilnehmer einer solchen Expedition ins nächste Krankenhaus fliegen könnten. 

Zudem müssen die engagierten Mitarbeiter häufig viel Geduld mitbringen, um zu relevanten Ergebnissen zu kommen. "Nach Arten zu suchen" bedeutet stundenlang zu Fuß Stock, Stein und Blatt abzusuchen und umzudrehen, um die Tiere zu finden. Dies kann zu durchaus kritischen Begegnungen führen, wie Dirk Embert zu berichten weiß: Begegnungen mit einer riesigen Klapperschlange und einer Kaiman-Mutter, die ihn verfolgte, als er ihr Junges zur Bestimmung gefangen hatte.

Die Mission: Schutz der Natur

Gemeinsam mit dem WWF Bolivien und bolivianischen Wissenschaftlern hat der WWF Deutschland diese Expedition geplant, finanziert und organisiert. Warum das Ganze? Die Landschaft um den Rio Yata konnte bereits vor Jahren zu einem RAMSAR-Schutzgebiet ausgewiesen werden. Das bedeutet unter anderem, dass dieses wertvolle Ökosystem nicht durch Bergbau und Erdöl geschädigt werden darf. Doch dieser Schutz könnte wieder aufgeweicht werden, da die wissenschaftlichen Grundlagen und Biodiversitätsstudien, die normalerweise erforderlich sind, um ein Gebiet auszuweisen, noch nicht vorhanden sind. Warum das Gebiet heute dennoch ein Schutzgebiet ist, ist eine komplizierte Geschichte. Wichtig ist aber, die nötigen wissenschaftlichen Grundlagen jetzt nachzuliefern, damit der Schutz vorläufig besteht und vor allem nicht so einfach aufgehoben werden kann.

Darum suchten zwölf bolivianische Wissenschaftler und unser Kollege am Ende der Welt nach neuen Tier- und Pflanzenarten. Denn wenn nachgewiesen werden kann, dass eine bisher unbekannte Art hier lebt, dann ist das für den Schutz des Gebietes Gold wert. Seltene oder vom Aussterben bedrohte Arten sind gute Argumente für den Schutz eines Ökosystems und gegen industrielle Eingriffe. Ein Beispiel: Was könnte ein kleiner Frosch dort theoretisch verhindern? Eine Goldmine. Deshalb ist eine Biodiversitätsstudie ein bedeutender Teil der heutigen Naturschutzarbeit.

Neue Arten für den Amazonas

Dirk Embert im Sumpfgebiet © Gesa Labahn / WWF
Dirk Embert im Sumpfgebiet © Gesa Labahn / WWF

Das Basislager wurde auf einer Rinderfarm aufgeschlagen, meistens wurde aber in Zelten übernachtet. Ein Tag ist auf solchen Expeditionen oft bis zu 18 Stunden lang, denn nicht nur tagsüber begeben sich die Teilnehmer auf die Suche nach Tieren und Pflanzen, sondern auch nachts. Säugetiere zum Beispiel sucht man zumeist nachts und mit Hilfe von Kamerafallen oder im Falle von Fledermäusen mit großen Spannnetzen. Diese Netze helfen auch den Vogelwissenschaftlern, welche allerdings eher tagsüber mit Ferngläsern unterwegs sind. Reptilien und Amphibien sucht man am Tag und in der Nacht.

Die Ergebnisse sind noch nicht ganz ausgewertet, aber es zeichnet sich für das Gebiet bereits eine hohe Artenvielfalt ab und wahrscheinlich sind Erstnachweise und auch eine neue Art für die Wissenschaft dabei. Sollten sich diese ersten konkreten Hinweise bestätigen, wäre das Schutzgebiet wenigstens vorerst gesichert.

Die Reise ist nur der Anfang einer Reihe von Expeditionen, die demnächst folgen werden. Es müssen über sieben Millionen Hektar Land erforscht werden – das heißt, sieben Millionen Hektar verschiedener Bio-Flächen, die auch zu verschiedenen Jahreszeiten erforscht werden müssen, um die Vielfalt der Arten zu erfassen und nachhaltig zu schützen. Mit Blick auf das Nachbarland Brasilien, wo gerade Schutzgebiete zurückgenommen werden, ist diese Arbeit wichtiger denn je.

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