Unterstützt vom WWF haben Wissenschaftler:innen eine revolutionäre Methode entwickelt, um die DNA von Eisbären und anderen Arten allein aus ihren Spuren im Schnee zu gewinnen. Nun muss man den Tieren nicht mehr nahekommen und sie beispielsweise betäuben, um sie zu erforschen. Für den Artenschutz ist die sogenannte Umwelt-DNA von enormer Bedeutung.

Umwelt-DNA: Schneespur entschlüsseln

Beim Laufen im Schnee hinterlassen die Bären Hautzellen ihrer Fußsohlen im Abdruck © WWF / Melanie Lancaster
Beim Laufen im Schnee hinterlassen die Bären Hautzellen ihrer Fußsohlen im Abdruck © WWF / Melanie Lancaster

Eisbären sind schwer zu erforschen. Noch immer wissen wir viel zu wenig über die gefährdete Art und ihr Leben in der Arktis. Doch beim Laufen im Schnee hinterlassen die Bären Hautzellen ihrer Fußsohlen in ihren Tatzenabdrücken. Der WWF und das MIX Forschungsinstitut in Schweden haben eine neue Methode entwickelt, um daraus genetisches Material zu sammeln, zu isolieren und analysieren. Alle Lebewesen geben über die Haut, den Schweiß und sogar über die Atmung Zellen an die Umwelt ab. Daraus gewonnene DNA nennt man Umwelt-DNA oder eDNA (Environmental DNA).

Der Durchbruch: DNA aus dem Zellkern

Vorsichtig kratzen zwei Wissenschaftlerinnen den Oberflächenschnee aus dem Fußabdruck eines Eisbären und füllen ihn in eine Tüte. Welcher Eisbär ist hier entlanggelaufen? Zu welcher Familie gehört er? Wie ernährt er sich und ist er gesund? Selbst aus geringen Mengen DNA lassen sich viele wertvolle Informationen ablesen. Die Methode erinnert an kriminalistische Untersuchungen und ist im Artenschutz nicht grundsätzlich neu. Bahnbrechend ist aber, dass die Wissenschaftler:innen nun sogar Kern-DNA aus den Spuren im Schnee gewinnen, auch nukleäre DNA genannt. Der Zellkern enthält den größten Teil des genetischen Materials. Bisher konnte man nur wesentlich begrenztere Erkenntnisse gewinnen.

„Die neue Methode ist eine kleine Revolution und erweitert den Werkzeugkasten des Artenschutzes erheblich. Mit der im Schnee gefundenen Kern-DNA können wir nun jeden einzelnen Bären identifizieren, der die Tatzenabdrücke hinterlassen hat.“

Dr. Sybille Klenzendorf, Arktisexpertin beim WWF Deutschland

Vorteil: Eisbären erforschen, ohne sie zu berühren

Bereits seit mehreren Jahren forschen der WWF und das MIX-Institut an der Probennahme aus Tatzenspuren – nicht nur von Eisbären, sondern auch aus Pfotenspuren von Schneeleoparden und Eurasischen Luchsen. Alle drei Arten leben in schneebedeckten und abgelegenen Gebieten. Die Umwelt-DNA ermöglicht die bessere Erforschung von Populationen, die sonst nur schwer fassbar sind. Gleichzeitig müssen die Tiere durch diese Form der DNA-Untersuchung nicht gestört, gefangen oder betäubt werden.

Auch für Laien möglich

Micaela Hellstrom sammelt Schnee mit Eisbär-DNA © WWF / Melanie Lancaster
Micaela Hellstrom sammelt Schnee mit Eisbär-DNA © WWF / Melanie Lancaster

Die Analyse der Eisbär-DNA ergänzt traditionelle Forschungsmethoden, die einen direkten Kontakt mit den Tieren erfordern. Gefahrlos ist es auch Nicht-Wissenschaftlern mit etwas Training möglich, Schneespuren sammeln. So können lokale Gemeinschaften und Freiwillige in die Überwachung und das Management von Eisbären und anderen Arten, die Spuren im Schnee hinterlassen, einbezogen werden.

Dass die neue Methodik die Tiere nicht bedrängt, mindert außerdem die Bedenken der indigenen Gemeinschaften in der Arktis. Sie spielen mit ihrem fundierten Wissen über Eisbären eine wichtige Rolle bei deren Schutz und hatten sich angesichts früherer Forschungsmethoden besorgt gezeigt.

DNA aus Tatzenspuren: Wichtiger Schritt für den Eisbär-Schutz

Mit Hilfe der neuen Umwelt-DNA-Untersuchung lassen sich nicht nur Bestände, Verhalten, Wanderbewegungen und Gesundheit der Eisbären erforschen. Die Forscher:innen können auch Mensch-Eisbär-Konflikte im Vorfeld verhindern, wenn sie feststellen, dass ein Tier sich gehäuft menschlichen Siedlungen nähert.

Eisbären sind auf das Meereis als Lebensraum und für ihre Jagd auf Nahrung angewiesen. Aufgrund der Klimakrise schwindet das sommerliche Meereis in einigen Teilen der Arktis viel zu schnell, als dass sich die Bären darauf einstellen könnten. Laut der Weltnaturschutzunion (IUCN) wird die weltweite Eisbärenpopulation bis 2050 mit hoher Wahrscheinlichkeit um mehr als 30 Prozent zurückgehen. Wie gut greifen bestehende Schutzmaßnahmen und was muss noch getan werden, um die ikonische Art auf unserer Erde zu erhalten? Um das herauszufinden, ist die neue Methode ein weiteres, wichtiges Instrument. Sie soll nun verfeinert werden, um die immer noch so geheimnisvollen Eisbären und andere im Schnee lebenden Arten noch wirksamer zu schützen.

So helfen Sie den Eisbären

  • Eisbärin mit zwei Jungtieren © Richard Barrett / WWF-UK Arktis

    Die Arktis gehört zu den am wenigsten vom Menschen erschlossenen Gebieten auf der Erde - geprägt von einem hochempfindlichen Ökosystem. Weiterlesen ...